In einer neuen EAS (3431 vom 12.04.2021) hat das Bundesministerium für Finanzen (BMF) zur Steuerpflicht von Vorstandsmitgliedern in anderen Staaten Stellung genommen. Dem Sachverhalt lag zu Grunde, dass eine in Österreich ansässige Person Vorstandsmitglied einer slowakischen AG war. Zusätzlich zu dem als Dienstnehmer bezogenen Gehalt schloß diese Person einen zweiten Vertrag mit derselben slowakischen AG ab, aus welchem dem Vorstand eine Funktionsgebühr zufloß. Fraglich war in diesem Zusammenhang die Einordnung der Funktionsgebühr im anzuwenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Österreich und der Slowakei.
Das BMF ist der Meinung, dass bei Vorstandsmitgliedern grundsätzlich Artikel 15 DBA-Slowakei zur Anwendung kommt (Einkünfte aus “unselbständiger Arbeit”). Die Anwendbarkeit von Artikel 16 DBA-Slowakei (“Aufsichts- und Verwaltungsvergütungen”), welcher nur bei einer (Gesellschafts-)überwachenden Tätigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern anzuwenden gewesen wäre, wird vom BMF ausgeschlossen.
Bei Anwendung von Artikel 15 DBA-Slowakei kommt das BMF zum Schluss, dass bei einer Tätigkeit in der Slowakei das Besteuerungsrecht für die Funktionsgebühr der Slowakei zusteht (analog den Einkünften aus dem Dienstverhältnis). Sollte das Vorstandsmitglied an der AG beteiligt sein (mehr als 25 %) bzw. eine gewerbliche Tätigkeit ausüben, könnten entweder Artikel 7 (“Unternehmensgewinne”) oder Artikel 14 (“Selbständige Arbeit”) zur Anwendung kommen. Diesfalls kommt der Slowakei ein Besteuerungsrecht für die Funktionsgebühr nur dann zu, wenn (und insoweit) die Tätigkeit im Rahmen einer slowakischen Betriebsstätte des Vorstandsmitglieds (bei der AG) durchgeführt wird (wovon jedoch ausgegangen werden kann).
Sollten die Funktionsgebühren von der Slowakei unter Artikel 16 DBA (und nicht Artikel 15 DBA) eingeordnet werden und dort einer Besteuerung unterzogen werden, kann dies unter Umständen zu einem Qualifikationskonflikt und zu einer Doppelbesteuerung führen. In diesem Fall wäre ein Verständigungsverfahren zwischen beiden Staaten einzuleiten um den Qualifikationskonflikt zu lösen und eine Doppelbesteueurng zu verhindern.
Die EAS 3431 vom 12.4.2021 im Wortlaut:
Eine in Österreich ansässige Person, die als Dienstnehmer einer slowakischen AG tätig und nicht an dieser beteiligt ist, schließt einen zusätzlichen Vertrag betreffend ihre Bestellung als Vorstandsmitglied mit der AG ab, laut welchem ihr eine Funktionsgebühr zusteht.
Bei der Einordnung der Funktionsgebühr nach innerstaatlichem Recht ist darauf abzustellen, ob die zwei Tätigkeiten (als Dienstnehmer und als Vorstandsmitglied) getrennt zu betrachten sind. Dies ist dann der Fall, wenn eine objektive (zeitliche und inhaltliche) Trennbarkeit der Tätigkeitsbereiche vorliegt (LStR 2002 Rz 962). Überschneiden sich die Tätigkeiten zeitlich und inhaltlich, ist zu ermitteln, bei welcher Tätigkeit es sich um die Haupttätigkeit handelt; die Nebentätigkeit ist dieser Haupttätigkeit zuzuordnen (LStR 2002 Rz 961, 962).
Liegt keine tatsächliche funktionelle (inhaltliche) und zeitliche Überschneidung der Tätigkeiten als Dienstnehmer und als Vorstandsmitglied vor oder ist die Vorstandstätigkeit als die Haupttätigkeit einzustufen, dann ist für die Beurteilung relevant, ob das Vorstandsmitglied weisungsgebunden ist. Ein weisungsgebundenes Vorstandsmitglied erzielt in der Regel Einkünfte aus einer nichtselbständigen Tätigkeit iSd § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG (vgl. LStR 2002 Rz 981, 982). Da im vorliegenden Fall keine Beteiligung an der Gesellschaft gehalten wird, kommt § 22 EStG nicht zur Anwendung. Sofern das Vorstandsmitglied im Bestellungsvertrag weisungsfrei gestellt wurde und dies auch den tatsächlichen Umständen entspricht, werden durch diese Tätigkeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 23 EStG erzielt. Die Frage der Einordnung der Funktionsgebühr ist jedoch eine sachverhaltsabhängige Frage, die stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist und nicht im ministeriellen Auskunftsverfahren beantwortet werden kann.
Die Einkünfte als Vorstandsmitglied der slowakischen AG wären abkommensrechtlich nur dann unter Art 16 DBA-Slowakei zu subsumieren, wenn der Vorstand nach slowakischem Gesellschaftsrecht keine unmittelbaren Leitungs- oder Mitwirkungsaufgaben übernimmt. Denn Art 16 DBA-Slowakei – der dem seit seiner Erstfassung im Jahr 1963 im Wesentlichen unverändert gebliebenen Art. 16 OECD-Musterabkommen nachgebildet wurde – erfasst nur eine überwachende Tätigkeit (vgl. VwGH 31.7.1996
Kommt Art 16 DBA-Slowakei nicht zur Anwendung, hängt die abkommensrechtliche Beurteilung der Funktionsgebühr davon ab, ob die Tätigkeit als Vorstandsmitglied als selbständig oder nichtselbständig einzustufen ist. Soweit sich aus dem Abkommenszusammenhang nichts Gegenteiliges ergibt, werden diese Begriffe gemäß Art 3 Abs 2 DBA von dem das DBA anwendenden Vertragsstaat nach innerstaatlichem Steuerrecht auszulegen sein. Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit iSd § 25 EStG, sonach etwa Einkünfte eines weisungsgebundenen Vorstandes, unterliegen der abkommensrechtlichen Verteilungsnorm des Art 15 DBA-Slowakei (“Unselbständige Tätigkeit”) (Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes/Daurer, Internationales Steuerrecht I/1 Einkünfte aus unselbständiger Arbeit, Rz 6). Gemäß Art 15 des DBA-Slowakei steht der Slowakei nur insoweit ein Besteuerungsrecht an diesen Einkünften zu, als die Tätigkeit in der Slowakei ausgeübt wird. Handelt es sich bei der Tätigkeit als Vorstandsmitglied dagegen um eine gewerbliche Tätigkeit iSd §23 EStG, wären die Einkünfte daraus als “Unternehmensgewinne” iSd Art 7 DBA-Slowakei einzustufen. Folglich steht gemäß Art 7 DBA-Slowakei der Slowakei in dem Ausmaß ein Besteuerungsrecht an den Einkünften zu, in welchem sie der in einer slowakischen Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit zuzurechnen sind. Im Übrigen käme Art 14 DBA-Slowakei nur dann zur Anwendung, wenn das Vorstandsmitglied wesentlich an der Gesellschaft beteiligt wäre und daher Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit iSd § 22 EStG erzielt (siehe auch Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes/Daurer, Internationales Steuerrecht I/1 Einkünfte aus selbständiger Arbeit Rz 27).
Sollten die Einkünfte aus der Funktionsgebühr auf slowakischer Seite unter Art 16 DBA-Slowakei subsumiert und dort einer Besteuerung unterzogen werden und sollte dadurch ein durch divergierende DBA-Auslegung verursachter Qualifikationskonflikt entstehen, wäre eine Lösung im Wege eines Verständigungsverfahrens anzustreben.
Bundesministerium für Finanzen, 12. April 2021