Betriebsstätte: Probebetrieb einer Anlage ist nicht Bestandteil der Baustellenfrist

Im Rahmen von Bau- und Montagetätigkeiten kann für das errichtende Unternehmen im Ausland eine Betriebsstätte begründet werden. Dies ist dann der Fall, wenn die Tätigkeit im Ausland eine gewisse Dauer überschreitet. Der Zeitraum, ab dem eine Bau- und Montagetätigkeit eine Betriebsstätte begründet, ist im jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) geregelt. Üblicherweise begründen im Ausland durchgeführte Bau- und Montageprojekte eine Betriebsstätte, falls deren Dauer 6 oder 12 Monate überschreitet (Baustellenfrist). Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat in der EAS 3407 nunmehr seine Rechtsmeinung dargelegt, inwieweit der Probebetrieb einer Anlage dieser Baustellenfrist zuzurechnen ist.

Dem Sachverhalt lag zu Grunde, dass ein in Deutschland ansässiges Unternehmen in Österreich eine Anlage errichtete. Nach der Fertigstellung der Anlage erfolgte ein Probebetrieb. Die finale Abnahme der Anlage fand erst im Anschluss an den Probebetrieb statt. Fraglich war in diesem Zusammenhang, ob der Zeitraum des Probebetriebs in die Baustellenfrist bei Bau- und Montagetätigkeiten hinzuzurechnen ist oder nicht (im Verhältnis zu Deutschland beträgt diese Frist 12 Monate). Im Falle der Hinzurechnung würde die deutsche Gesellschaft in Österreich eine Betriebsstätte begründen, da die Errichtung der Anlage den Zeitraum von 12 Monaten (Baustellenfrist gemäß Artikel 5 Absatz 3 DBA Österreich-Deutschland) überschritten hätte.

Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) kommt in einer Rechtsauskunft (EAS 3407 vom 17.8.2018) zur Ansicht, dass der Probebetrieb im vorliegenden Fall nicht in die Baustellenfrist gemäß Artikel 5 Absatz 3 DBA mit einzubeziehen ist. Unter Verweis auf den Kommentar zum OECD-Musterabkommen wird argumentiert, dass bei der Berechnung der Baustellenfrist auf die Übergabe der funktionierenden Anlage abzustellen ist und nicht auf den Formalakt eines Abnahmeprotokolls (welches im vorliegenden Fall erst nach Beendigung des Probebetriebs erstellt wurde). Nur wenn der Probebetrieb dazu dienen würde, die Anlage im Rahmen einer Testphase in einen fertigen Zustand zu versetzen, wäre der Probebetrieb in die Baustellenfrist miteinzubeziehen. Nachdem dies im vorliegenden Fall jedoch nicht der Fall war, weil die Anlage bereits vor dem Probebetrieb in einem betriebsfertigen Zustand war, ist der Probebetrieb nicht in die Baustellenfrist einzurechnen. Da die Dauer von 12 Monaten durch diese Zählweise nicht überschritten wurde, begründet das deutsche Unternehmen mit dem vorliegenden Projekt keine Betriebsstätte in Österreich.

 

Die EAS 3407 vom 17.8.2018 im Wortlaut:

Berücksichtigung eines Probebetriebs bei Ermittlung der Baustellenfrist

Erbringt eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (D-GmbH) Bau- und Montageleistungen in Österreich, wird die Anlage nach Fertigstellung im betriebsfähigen Zustand übergeben und erfolgt die finale Abnahme erst nach erfolgreichem Abschluss eines Probebetriebs und gegebenenfalls notwendigen Nachbesserungsarbeiten, so ist die Zeit des Probebetriebs nicht in die Frist gemäß Art. 5 Abs. 3 DBA Deutschland einzubeziehen.

Für die Ermittlung der Baustellenfrist nach Art. 5 Abs. 3 DBA Deutschland ist das maßgebliche Enddatum jenes, an dem die Arbeit abgeschlossen oder endgültig eingestellt ist (OECD Komm. Art 5 Rz 55, 1. Satz). Wird nach Abschluss der Bauarbeiten ein Testlauf unter Überwachung durch 3-4 Techniker des Anlagenerrichters vorgenommen und werden im Rahmen der Gewährleistungspflicht ggf. Reparaturarbeiten durchgeführt (EAS 357) oder werden nach Montageabschluss Beratungs- und Assistenzleistungen erbracht (EAS 1025), so sind diese Tätigkeiten nicht in die Frist einzurechnen (vgl auch Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes, Internationales Steuerrecht I/1 Z 5 Rz 29). Die Testphase ist hingegen in die Frist einzurechnen, wenn sie dazu genutzt wird, die in unfertigem Zustand befindliche Anlage in jenen Zustand zu versetzen, der als Erfüllung des Auftrages zur Anlagenerrichtung zu werten ist (EAS 1259), oder eine für die volle Funktionstüchtigkeit notwendige Mängelbeseitigung vorzunehmen (EAS 3063), oder wenn die Testläufe für die Betriebsbereitschaft unabdingbar sind (EAS 1773).

Der Zeitpunkt der finalen Abnahme könnte zwar als Indiz für den Abschluss der Bau- und Montagearbeiten gewertet werden, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass dieser Zeitpunkt mit dem tatsächlichen Abschluss der Arbeiten zusammenfällt, dh. dass weder vorher noch nachher auf der Baustelle an der Fertigstellung des Werkes gearbeitet wird. Denn das DBA Deutschland kann nicht derart ausgelegt werden, dass durch ein Vorziehen oder eine Verzögerung eines bloßen Rechtsaktes (Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls) darüber entschieden werden kann, ob das Besteuerungsrecht an den Montagegewinnen von Österreich oder von Deutschland wahrzunehmen ist (EAS 1773, EAS 2407).

Die neuen Aussagen des OECD-Musterkommentars zu Art 5 (Rz 55, 2. Satz) ändern an dieser Auslegung nichts. Zwar wird hier festgehalten, dass Testphasen generell in die Baustellenfrist einzurechnen sind. Jedoch gilt das Grundprinzip, dass auf den tatsächlichen Abschluss eines fertigen Werks bzw. die tatsächliche Fertigstellung abzustellen ist. Testphasen, die für die Betriebsbereitschaft der errichteten Anlage nicht unabdingbar sind, werden daher nach Ansicht des BMF auch nach dem OECD-Musterkommentar 2017 nicht in die Frist einbezogen werden können.

Bundesministerium für Finanzen, 17. August 2018

EAS-Auskunft des BMF vom 17.08.2018, BMF-010221/0150-IV/8/2018 gültig ab 17.08.2018.