Die Durchführung von Planungs- und Überwachungsleistungen im Zusammenhang mit Bauprojekten im Ausland ist bei der Frage einer möglichen Betriebsstättenbegründung in manchen Fällen äußerst komplex. Das österreichische Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat in einer jüngst ergangenen EAS (EAS 3384 vom 24. 7. 2017) seine Rechtsansicht zu Planungs- und Überwachungsleistungen eines österreichischen Unternehmens in Albanien dargelegt.
Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Österreich und Albanien begründet ein österreichisches Unternehmen dann eine Betriebsstätte in Albanien, wenn es über eine feste Geschäftseinrichtung in Albanien dauerhaft verfügen kann. Auf Grund der Tatsache, dass bei dem der EAS zu Grunde liegendem Fall dem österreichischen Unternehmen zwar anlassbezogen aber nicht dauerhaft ein Arbeitsplatz auf der albanischen Baustelle zur Verfügung gestanden hatte, bestand grundsätzlich keine betriebsstättenbegründende feste Geschäftseinrichtung. Nach Artikel 5 Abs. 3 lit. a DBA begründen jedoch (auch) Bauausführungen oder Montagen oder eine damit zusammenhängende Überwachungstätigkeit eine Betriebsstätte […], wenn diese Ausführung oder Tätigkeit die Dauer von neun Monaten während des betreffenden Kalenderjahres überschreitet. Wichtig ist in diesem Zusammenhang nach den Ausführungen der EAS unter Verweis auf den Wortlaut des DBA, dass die 9 Monate innerhalb eines Kalenderjahres erreicht werden, wobei Unterbrechungen den Fristenlauf grundsätzlich nicht hemmen (auch nicht wenn die Tätigkeit in Baulosen vergeben wird). Sollte daher beispielsweise im Kalenderjahr 1 eine Überwachungstätigkeit von 10 Monaten und im Kalenderjahr 2 eine Überwachungstätigkeit von 7 Monaten auf der Baustelle durchgeführt werden, bestünde nach den Ausführungen der EAS nur im Kalenderjahr 1 eine “(Bau-)Betriebsstätte” für das österreichische Unternehmen in Albanien.
Das BMF weißt in der EAS auch darauf hin, dass der ebenfalls in Artikel 5 Abs. 3 DBA (lit.b) angeführte Begriff der “Dienstleistungsbetriebsstätte”, wonach durchgeführte Dienstleistungen bereits nach sechs Monaten eine Betriebsstätte im Tätigkeitsstaat begründen, im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommen kann. Diese Bestimmung sei nämlich nicht als “Auffangtatbestand” für Überwachungsleistungen zu verstehen, welche die Grenze von 9 Monaten unterschreiten. Überwachungsleistungen iZm mit einem Bauprojekt, welche weniger als 9 Monate im Kalenderjahr andauern, begründen nach Ansicht des BMF daher weder eine “Baubetriebsstätte” nach Artikel 5 Abs. 3 lit. a DBA, noch eine “Dienstleistungsbetriebsstätte” nach Artikel 5 Abs. 3 lit. b DBA.
Das EAS 3384 vom 24. 7. 2017 im Wortlaut:
Planungs- und Überwachungstätigkeiten iZm einer Bauausführung in Albanien
Eine albanische Gesellschaft errichtet in Albanien ein Gebäude und beauftragt dazu hauptsächlich albanische Gesellschaften. Die erforderlichen Planungstätigkeiten (Vorentwurf und Entwurfsplanung, Einreichplanung, Ausführungsplanung, Kostenermittlung und Ausschreibung, Haustechnikplanung) sowie damit im Zusammenhang stehende Überwachungstätigkeiten werden von einer österreichischen Gesellschaft ( Ö-GmbH) erbracht, wobei in Albanien im Wesentlichen nur Routinekontrolltätigkeiten ausgeführt werden, während die anderen Tätigkeiten von Österreich aus erbracht werden.
Wird der Ö-GmbH für die in Albanien ausgeführten Tätigkeiten vom albanischen Auftraggeber nur „anlassbezogen ein entsprechender Arbeitsplatz“ – nicht jedoch ein fixes Büro oder ein Baucontainer – zur Verfügung gestellt, so wird dadurch keine Betriebstätte iSd Art 5 Abs 1 DBA Albanien in Albanien begründet, denn eine „feste Geschäftseinrichtung“ iSd Art 5 Abs 1 DBA Albanien würde zumindest die dauerhafte Zuweisung eines bestimmten Arbeitsplatzes erfordern (vgl EAS 1613; EAS 1941; EAS 1969). Allerdings kann Art 5 Abs 3 DBA Albanien zu einer Betriebsstättenbegründung führen, wenn der Ö‑GmbH in Albanien keine feste örtliche Einrichtung iSd Abs 1 zur Verfügung steht (vgl zB EAS 2402). Gemäß Art 5 Abs 3 lit a DBA Albanien umfasst der Ausdruck der Betriebsstätte nämlich auch „ eine Bauausführung oder Montage oder eine damit zusammenhängende Überwachungstätigkeit […], wenn diese Ausführung oder Tätigkeit die Dauer von neun Monaten während des betreffenden Kalenderjahres überschreitet“.
Damit sind iZm einer Bauausführung oder Montage stehende Überwachungstätigkeiten schon nach dem Wortlaut des Art 5 Abs 3 lit a DBA Albanien erfasst. Dies gilt aber ebenso für die Planungstätigkeiten, da diese seit der Änderung durch das OECD-Update 2003 (Z 17 des OECD-Kommentars zu Art 5) von Art 5 Abs 3 OECD-MA erfasst sind (vgl auch EAS 2274; EAS 2402; EAS 2428). Die Maßgeblichkeit des OECD-Kommentars in der jeweils geltenden Fassung bei der Auslegung des DBA Albanien kommt hierbei in Abs 5 des Protokolls zum Abkommen zum Ausdruck. Somit sind sowohl die Überwachungs- als auch die Planungstätigkeiten der Ö-GmbH vom Anwendungsbereich des Art 5 Abs 3 lit a OECD-MA erfasst. An diesem Ergebnis vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich die Mitwirkung der Ö-GmbH an der Gebäudeerrichtung auf die Planungs- und Überwachungstätigkeiten beschränkt, während die Bauwerke durch andere errichtet werden (vgl Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes, IStR I/1, Z 5 Rz 17).
Beträgt die Bauzeit des Bauprojekts etwa 18 Monate, wobei zehn Monate in Jahr 1 und acht Monate in Jahr 2 anfallen, dann kann für die Ö-GmbH aufgrund ihrer Planungs- und Überwachungstätigkeiten nur in Jahr 1 eine Betriebsstätte in Albanien begründet werden, da Art 5 Abs 3 lit a DBA Albanien auf einen Zeitraum von neun Monaten während des betreffenden „Kalenderjahres“ abstellt. Wird die Ö-GmbH dabei nicht mit einem einzigen Auftrag sondern separat entsprechend dem Projektfortschritt beauftragt, so sind arbeitsfreie Zwischenzeiten dieser „Auftragsvergabe in Baulosen“ bei der Fristberechnung des Neunmonatszeitraums grundsätzlich mitzuzählen. Die von einigen Staaten akzeptierte getrennte Fristenberechnung bei Auftragsvergabe in „Baulosen“ (Deutschland – Verständigungsprotokoll vom 7. 9. 1991 Z 7 und EAS 2298; Schweiz – AÖF 2000/34) kann gegenüber Albanien nicht ohne vorherige Konsultationen mit der zuständigen Behörde Albaniens vertreten werden. Die Beurteilung, ob eine Bau- bzw Montagebetriebstätte im abkommensrechtlichen Sinn vorliegt, müsste jedenfalls korrespondierend in den jeweils betroffenen Ländern vorzunehmen sein ( EAS 3194).
Sollte die maßgebliche Frist überschritten sein und dadurch eine Betriebsstätte gem Art 5 Abs 3 lit a DBA Albanien begründet werden, so können die Planungs- und Überwachungstätigkeiten entsprechend dem OECD-Kommentar in Jahr 1 jedoch nur insoweit in Albanien besteuert werden, als diese auch dort erbracht werden (Z 17 des OECD-Kommentars zu Art 5: „Planungstätigkeiten und die Überwachung der Bautätigkeit auf der Baustelle fallen unter Absatz 3“). Hingegen können jene Tätigkeiten der Ö-GmbH, die in Österreich erbracht werden, nicht im Rahmen der albanischen Betriebsstätte erfasst werden.
Das DBA Albanien enthält darüber hinaus – in Abweichung zum OECD-MA – eine Bestimmung zur Begründung einer Dienstleistungsbetriebstätte. Demnach kann gemäß Art 5 Abs 3 lit b DBA Albanien die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Beratungsleistungen, für die Dauer von insgesamt sechs Monaten während des Kalenderjahres zu einer Betriebsstätte führen. Allerdings kann in dieser Bestimmung keine „Auffangklausel“ erblickt werden, wonach Tätigkeiten, die grundsätzlich von Art 5 Abs 3 lit a DBA Albanien erfasst sind, bei Unterschreiten der nach lit a erforderlichen Neunmonatsfrist als Dienstleistungen iSd lit b qualifiziert werden. Der Tatbestand des Art 5 Abs 3 lit a ist gegenüber Art 5 Abs 3 lit b DBA Albanien vielmehr als lex specialis zu qualifizieren. Somit können Tätigkeiten, die bereits von lit a erfasst sind, nicht gleichzeitig unter lit b fallen (vgl EAS 2274; EAS 2402; EAS 3245). Beträgt daher zB die Bauzeit in Albanien in Jahr 1 nicht zehn Monate sondern nur sieben Monate, dann kann für die Ö‑GmbH keine Betriebsstätte iSd Art 5 Abs 3 DBA Albanien bestehen, selbst wenn lit b auf einen Zeitraum von nur sechs Monaten abstellt.
Ob es sich bei der Tätigkeit im konkreten Fall tatsächlich um Bauplanung- und -überwachung iSd Art 5 Abs 3 lit a oder um „Dienstleistungen einschließlich Beratungsleistungen“ iSd Art 5 Abs 3 lit b DBA Albanien handelt, ist jedoch eine Sachverhaltsfrage, die nicht abschließend im Wege des EAS-Verfahrens geklärt werden kann.