Ein Grundprinzip bei der Zuordnung von Einkünften aus nicht-selbständiger Arbeit ist, dass diese in jenem Staat steuerpflichtig sind, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird (vorbehaltlich Ausnahmeregelungen). Die Tätigkeit wird an jenem Ort ausgeübt, an dem sich der Arbeitnehmer physisch aufhält.
Dieses Grundprinzip (auch bekannt als Tätigkeitsortprinzip) ist jedoch vom VwGH in einem Urteil erstmals durchbrochen worden. Dem Sachverhalt lag zugrunde, dass eine bei einem Schweizer Gericht als Richter angestellte Person, seine Tätigkeit hauptsächlich in einem österreichischen Büro durchführte, und nur zu Verhandlungen in die Schweiz zu seinem Gericht reiste. Der VwGH urteilte in seinem Erkenntnis (VwGH 12. 5. 2022, Ra 2021/13/0042), dass obwohl die Tätigkeit des Richters hauptsächlich in Österreich ausgeübt wurde, diese “funktional” dem Schweizer Gericht zuordenbar sei, und die Einkünfte die auf diese (österreichische) Tätigkeit enfallen, ebenfalls in der Schweiz steuerpflichtig seien. Diese Argumentation läuft daher dem Tätigkeitsortprinzip zuwieder, da gemäß der Rechtsansicht des VwGH nicht auf den Tätigkeitsort, sondern auf eine Zurodnung der Tätigkeit mit der Schweizer Instituion (Schweizer Gericht) abzustellen sei.
Diese Rechtsansicht hat jedoch viel Kritik in der Litertaur hervor gerufen weshalb anzunehmen ist, dass die Rechtsauslegung des VwGH dem konkreten Einzelfall geschuldet ist. (bei einer Zurodung der Einkünfte an Österreich wäre es in dem konkreten Fall nämlich zu einer Nichtbesteuerung der Einkünfte gekommen)