Entlastung von der Quellensteuer (EAS 3429)

Im Rahmen der Doppelbesteuerungsabkommen-Entlastungs-Verordnung (DBA-EVO) ist es möglich, bestimmte Zahlungen aus Österreich in das Ausland sofort von einer eventuellen Quellensteuer zu befreien. Um eine sofortige Befreiung bei der Zahlung an den ausländischen Einkünfteempfänger herbei führen zu können, müssen jedoch die Voraussetzungen der DBA-EVO erfüllt sein. Sollten die Voraussetzungen der DBA-EVO nicht erfüllt werden, muss die Quellensteuer vom österreichischen Zahler einbehalten werden und an das österreichische Finanzamt abgeführt werden. Es wird sodann dem ausländischen Zahlungsempfänger überlassen, die abgeführte Quellensteuer auf Grundlage des Doppelbesteuerungsabkommens beim österreichischen Finanzamt zur Erstattung zu beantragen.

In der EAS 3429 macht das Bundesministerium für Finanzen (BMF) darauf aufmerksam, dass im Fall, dass der Einkünfteempfänger eine ausländische juristische Person (Kapitalgesellschaft) ist, diese über eine “wirtschaftliche Substanz” verfügen muss, damit die DBA-EVO angewendet werden kann. Eine “wirtschaftliche Substanz” spiegelt sich beispielsweise durch eine eigene Infrastruktur (Büro) und eigene Arbeitskräfte wieder, über welche die ausländische Gesellschaft verfügt. Ein funktionsloses Gebilde (reiner “Briefkasten”) ohne “wirtschaftliche Substanz” erfüllt die Voraussetzungen der DBA-EVO nicht. Sollte es sich daher um ein funktionsloses Gebilde (“Briefkasten”) handeln, sind die Bestimmungen der DBA-EVO nicht anzuwenden, und eine Quellensteuer (im dem der EAS zu Grunde liegenden Sachverhalt die Kapitalertragsteuer – KESt) ist jedenfalls in Österreich abzuführen (durch den österreichischen Zahler). Es obliegt sodann dem ausländischen Empfänger der Einkünfte, die abgeführte Quellensteuer beim Finanzamt zur Erstattung zu beantragen.

Beispiel:

Die österreichische “Donau AG” schüttet eine Dividende an die Schweizer “Schoko-Holding AG” aus (wobei die “Schoko-Holding AG” zu 100 % Beteiligung an der Donau AG verfügt). Der Steuersatz nach österreichischem Steuerrecht bei der (Dividenden)-Ausschüttung beträgt 27,5 %. Nach dem DBA hat Österreich jedoch kein Besteuerungsrecht, wenn der Zahlungsempfänger eine Schweizer Gesellschaft (jedoch keine Personengesellschaft) ist, die über mindestens 20 % des Kapitals der ausschüttenenden Gesellchaft verfügt (Artikel 10 Absatz 2 DBA). Sind die Voraussetzungen der DBA-EVO erfüllt, das heißt bei der Schoko-Holding AG handelt es sich um eine operative Gesellschaft, kann die Ausschüttung sofort von der KESt befreit werden (d.h. kein Abzug der KESt durch die Donau AG). Sind die Voraussetzungen der DBA-EVO NICHT erfüllt, muss die KESt bei der Ausschüttung von der österreichischen Donau AG einbehalten werden und an das Finanzamt abgeführt werden. Es wird sodann der Schoko-Holding AG aus der Schweiz überlassen, die KESt beim österreichischen Finanzamt zur Erstattung zu beantragen.

Die EAS 3429 vom 16.3.2021 im Wortlaut:

Titel: Notwendige Substanzerklärung bei DBA-Entlastung an der Quelle

An einer österreichischen Aktiengesellschaft (Ö-AG) sind zwei in der Schweiz ansässige Aktiengesellschaften beteiligt: die börsennotierte A-AG zu 99% und die B-AG zu 1%, wobei die B-AG im Alleineigentum der A-AG steht. Die A-AG hat keine Dienstnehmer und verwendet zur Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit (Geschäfts- und Konzernleitung sowie Finanzierungstätigkeiten) Betriebsräumlichkeiten einer anderen Konzerngesellschaft. Im Falle von Gewinnausschüttungen der Ö-AG an die schweizerischen Gesellschafter stellt sich die Frage, ob hinsichtlich der A-AG eine abkommensrechtliche Entlastung (gemäß Art 10 DBA-Schweiz) von der österreichischen Kapitalertragsteuer an der Quelle gewährt werden kann.

Im Zuge des Verfahrens für die Entlastung an der Quelle nach der DBA-Entlastungsverordnung (DBA-EVO) müssen juristische Personen gemäß § 3 DBA-EVO zur Glaubhaftmachung der Abkommensberechtigung auch eine Substanzerklärung abgeben. Aus dieser Erklärung muss hervorgehen, dass der Einkünfteempfänger eine Betätigung entfaltet, die über die bloße Vermögensverwaltung hinausgeht, eigene Arbeitskräfte beschäftigt und über eigene Betriebsräumlichkeiten verfügt. Kann der Einkünfteempfänger die Substanzerklärung nicht erbringen, so ist eine Entlastung an der Quelle gemäß § 5 Abs 1 Z 1 DBA-EVO unzulässig und die DBA-Entlastung muss im Rückzahlungsverfahren herbeigeführt werden (vgl. BMF-Erlass vom 10.3.2006, AÖF Nr. 127/2006, Abs. 19).

Eine (Holding-)Gesellschaft, die geschäfts- und konzernleitende Funktionen ausübt und überdies Finanzierungsfunktionen im Konzern erbringt, entfaltet eine betriebliche Tätigkeit, die über die bloße Vermögensverwaltung iSd § 3 DBA-EVO hinausgeht. Die betriebliche Tätigkeit muss im Übrigen nicht überwiegen. Aus einer Börsennotierung allein kann hingegen nicht geschlossen werden, dass eine Gesellschaft betrieblich tätig ist. Als “eigene Arbeitskräfte” im Sinne von § 3 Abs 1 Z 2 DBA-EVO sind nicht nur in einem Dienstverhältnis Beschäftigte zu verstehen, sondern etwa auch geleaste Arbeitskräfte (EAS 2747), sofern sie wie eigene Dienstnehmer in den geschäftlichen Organismus der Gesellschaft eingegliedert werden und die Gesellschaft ihnen Weisungen erteilen kann. Die für die betriebliche Tätigkeit erforderlichen Betriebsräumlichkeiten müssen im Übrigen nicht im Eigentum der Gesellschaft stehen, sondern können auch (zB von einer Konzerngesellschaft) gemietet werden (EAS 2727).

Im vorliegenden Sachverhalt wird die (für die Unbedenklichkeit sprechende) operative Tätigkeit der A-AG zur Gänze durch Arbeitskräfte erbracht, die weder angestellt noch im obigen Sinne geleast werden, sondern Arbeitskräfte einer anderen Konzerngesellschaft darstellen. Bei einem derartigen “Outsourcing” an andere Konzerngesellschaften kann die nach § 3 DBA-EVO erforderliche Erklärung betreffend die Beschäftigung von eigenem Personal nicht mehr abgegeben werden (EAS 2747). Da die gesamte operative Tätigkeit der A-AG im Wege einer Dienstleistung von einer anderen Konzerngesellschaft erbracht wird, könnte der A-AG nicht die Eigenschaft als Entscheidungsträger für die behauptete betriebliche Tätigkeit zukommen. Vor diesem Hintergrund muss die Unbedenklichkeit der DBA-Entlastung im Rahmen eines Rückzahlungsverfahrens geprüft werden.

Eine abschließende Beurteilung des Sachverhalts kann somit nicht im ministeriellen Auskunftsverfahren vorgenommen werden, sondern obliegt dem zuständigen Finanzamt.