Finanzgericht: Entscheidungen zum Internationalen Steuerrecht

Wenn sich das Finanzamt und der Steuerpflichtige nicht einigen können, besteht die Möglichkeit einen Steuerfall vom Bundesfinanzgericht (BFG – zweite Stufe der Verwaltungsgerichtsbarkeit) entscheiden zu lassen. Das BFG hat zuletzt mit zwei Entscheidungen zum internationalen Steuerrecht aufhorchen lassen (beide zu Ungunsten des Steuerpflichtigen und zu Gunsten des Finanzamtes).

Fall 1: Progressionsvorbehalt bei Ansässigkeit im Ausland

Bislang war es so, dass der so genannte “Progressionsvorbehalt” nur dann zur Anwendung kam, wenn die steuerpflichtige Person die steuerliche Ansässigkeit im Inland hatte. Der Progressionsvorbehalt bedeutet, dass die ausländischen (nicht in Österreich steuerpflichtigen) Einkünfte für die Berechnung jenes Steuersatzes herangezogen werden, der auf die inländischen (in Österreich steuerpflichtigen) Einkünfte angewendet wird. Durch den Progressionsvorbehalt kommt es in der Regel zu einer höheren Steuerbelastung. Unter Verweis auf den OECD-Musterkommentar urteilte das BFG in einem Fall nunmehr, dass der Progressionsvorbehalt vom Finanzamt auch dann angewendet werden darf, wenn zwar die Ansässigkeit im Ausland gegeben ist, aber unbeschränkte Steuerpflicht im Inland besteht. Die Begründung: Nachdem es der OECD-Musterkommentar nicht explizit verbietet, sondern es den Staaten frei stellt ob sie auch in diesen Fällen den Progressionsvorbehalt anwenden, war es bei dem zu Grunde liegenden Sachverhalt erlaubt, dass das Finanzamt den Progressionsvorbehalt zur Anwendung bringt.

Die Entscheidung des BFG wiederspricht anderen (höchstgerichtlichen) Urteilen und dem Großteil der Literaturmeinung und auch der Verwaltungspraxis. Desweiteren werden für die Zukunft einige neue kompelexe Rechtsfragen aufgeworfen, die sich bislang auf Grund der bisherigen Auslegung von DBA nicht gestellt haben (z.B.: Sind für den Progressionsvorbehalt nur die im Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht bezogenen ausländischen Einkünfte heranzuziehen oder auch die während einer während des Jahres bestehenenden beschränkten Steuerpflicht?).

Fall 2: Abzugsfähigkeit von ausländischen Sozialversicherungsbeiträgen in Österreich

In Österreich dürfen Sozialversicherungsbeiträge von der Steuerbemessungsgrundlage in Abzug gebracht werden (z.B. als Werbungskosten). Das BFG hat nunmehr entschieden, dass Sozialversicherungsbeiträge, die in Zusammenhang mit im Ausland steuerpflichtigen Einkünften stehen, jedoch nicht zur Gänze abgezogen werden dürfen, sondern nur im Verhältnis der steuerpflichtigen Einkünfte. Sind zum Beispiel 19 % der Einkünfte in Österreich steuerpflichtig und 81 % im Ausland (bei Sozialversicherungspflicht im Inland; die Quote 19 % zu 81 % entspricht dem Urteil zu Grunde liegenden Sachverhalt), dürfen nach Ansicht des BFG nur 19 % der Sozialversicherungsbeiträge steuermindernd als Werbungskosten in Österreich berücksichtigt werden. Kritik an diesrem Urteil gibt es in der Litertatur, u.a. auch wegen verfassungsrechtlichen Bedenken (z.B. Beiser, Kein Abzug von österreichischen Pflicht­versicherungsbeiträgen für ausländische (deutsche) Einkünfte? SWK 22/2020, 1105).

E-Sportler sind Künstler

Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat in einer jüngst ergangenen Rechtsauskunft (EAS) zur Frage Stellung bezogen, unter welche Einkunftsart eine Tätigkeit als E-Sportler im Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit den USA fällt.

Ein E-Sportler tritt bei Wettbewerben im Ausland vor Publikum auf und spielt alleine oder in einem Team gegen andere Personen ein Computerspiel. Bei erfolgreichem Verlauf winkt ein manchmal durchaus üppiges Preisgeld (so hat nach Medienberichten ein österreichischer E-Sportler im Jahr 2019 bei einem Wettbewerb in den USA ein Preisgeld von 3 Mio. USD gewonnen). Die EAS dreht sich um die Frage, welcher Staat das Preisgeld besteuern darf (USA und/oder Österreich).

Das BMF kommt in der EAS 3425 zur Rechtsauffassung, dass die Einkünfte (Preisgeld) eines in Österreich ansässigen E-Sportlers, der in den USA im Rahmen einer Veranstaltung tätig war, unter Artikel 17 DBA-USA einzuordnen sind. Artikel 17 DBA-USA (Einkünfte von “Künstler und Sportler”) umfasst öffentliche Auftritte vor einem Publikum, die vorwiegend der Unterhaltung dienen. Das BMF stellt unter Verweis auf den OECD-Musterkommentar fest, dass E-Sportler als “Künstler” im Sinne des DBA-USA anzusehen sind, da die wesentlichen “Künstler-“Kriterien (öffentlicher Auftritt vor Publikum, Teilnahme an einer Unterhaltungsdarbietung) erfüllt sind. Auf die naheliegende Frage, ob ein E-Sportler als “echter” Sportler im Sinne des Artikel 17 DBA-USA anzusehen ist, geht das BMF nicht ein.

Da die Tätigkeit unter Artikel 17 DBA-USA einzuordnen ist, haben die USA ein (Quellen-)Besteuerungsrecht auf das Preisgeld falls dieses 20.000 USD (ein im DBA-USA festgelegter Wert) überschreitet.

In Österreich ist das Preisgeld zu versteuern (“Einkünfte aus Gewerbebetrieb”, § 23 Einkommensteuergesetz). Dies bedeutet, dass diese Einkünfte in die österreichische Steuererklärung mit aufzunehmen sind. Eine in den USA abgeführte (Quellen-)Steuer kann auf die österreichische Einkommensteuer angerechnet werden (bis zum Anrechnungshöchstbetrag). Dadurch wird eine doppelte Besteuerung vermieden.

PRAXISHINWEIS: In der Praxis geschieht es häufig, dass eine US-Quellensteuer (oftmals 30 %) auch dann abgezogen wird, wenn ein Preisgeld für eine außerhalb den USA durchgeführte (E-Sportler-)Tätigkeit ausbezahlt wird (z.B. ein österreichischer E-Sportler nimmt an einem US-Wettbewerb von seinem österreichischen Wohnsitz aus teil und erhält dafür ein Preisgeld aus den USA auf sein österreichisches Bankkonto überwiesen). Diesbezüglich stellt sich die Frage, inwieweit überhaupt ein Besteuerungsanspruch der USA gegeben ist. Nach dem Wortlaut des DBA-USA sollte bzw. dürfte in diesem Fall keine US-Steuer in Abzug gebracht werden, da die Tätigkeit nicht in den USA ausgeübt wurde (ein Besteuerungsanspruch der USA kann nur für eine “…im anderen Vertragsstaat persönlich ausgeübte Tätigkeit” entstehen, Artikel 17 Absatz 1 DBA-USA). Problematisch ist dies vor allem auf Grund der Tatsache, dass Österreich in diesem Fall nicht zur Anrechnung der US-Steuer auf die österreichische Einkommensteuer verpflichtet ist. Dadurch droht eine echte (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung dieser Einkünfte (Preisgeld) (eine 30 %ige Quellensteuer in den USA und bis zu 50 % Einkommensteuer in Österreich ohne Anrechnung der US-Steuer auf die österreichische Einkommensteuer). Der siegreiche E-Sportler ist in diesem Fall ein Verlierer bei der Finanz.