Arbeitskräfteüberlassung von Italien nach Österreich

Bei der Arbeitskräfteüberlassung einer in Italien ansässigen Mitarbeiterin der italienischen Staatsbahn an einen österreichischen Verein kommt gemäß der Rechtsansicht des Bundesministerium für Finanzen (BMF) Artikel 15 DBA zur Anwendung (geäußert in der EAS 3419 vom 8.11.2019). Dies bedeutet, dass Steuerpflicht in Österreich gegeben ist, falls sich die Mitarbeiterin der italienischen Staatsbahn an mehr als 183 Tagen (im Kalenderjahr) in Österreich aufhält oder wenn das beschäftigende Unternehmen (der österreichische Verein) als (wirtschaftlicher) “Arbeitgeber” im Sinne des DBA angesehen wird.

Die in Artikel 19 DBA angeführte Kassenstaatsregelung (= jedenfalls Steuerpflicht in Italien) kommt gemäß den Ausführungen des BMF deswegen nicht zur Anwendung, da diese Regelung nur im Fall des Tätigwerdens der Mitarbeitern in einer österreichischen Einrichtung der italienischen Staatsbahn anzuwenden ist (und der österreichische Verein ist als eigenständiges Rechtssubjekt keine österreichische Einrichtung der italienischen Staatsbahn).

Die EAS 3419 vom 8.11.2019 im Wortlaut:

Wird eine Dienstnehmerin einer in Italien ansässigen Körperschaft – die eine im Bereich der Eisenbahninfrastruktur tätige, 100-prozentige Tochtergesellschaft der Italienischen Staatsbahnen FF.SS. (Ferrovie dello Stato Italiane S.p.A.) ist – im Rahmen einer Entsendung für ein Jahr einem in Österreich ansässigen Verein überlassen, der die Förderung des internationalen Verkehrs auf der Eisenbahninfrastruktur bezweckt und bei dem viele Staatsbahnen Europas Mitglieder sind – wobei die Dienstnehmerin abkommensrechtlich in Italien ansässig bleibt -, so stellt sich die Frage, ob ihre Vergütungen nach dem DBA-Italien im Tätigkeitsstaat Österreich besteuert werden dürfen.

Die Kassenstaatsregel gemäß Art. 19 Abs. 2 lit. b DBA ist auch auf Vergütungen anzuwenden, die “an das Personal […] der Vertretungen oder Einrichtungen der Italienischen Staatsbahnen (FF. SS.) […] in Österreich gezahlt werden”, wobei im Übrigen die Erwerbsklausel des Art. 19 Abs. 4 DBA wirkungslos bleibt (vgl. EAS 1510). Ungeachtet der Frage, ob die Vergütungen an das Personal der 100-prozentigen Tochtergesellschaft der FF.SS. grundsätzlich von Art. 19 Abs. 2 lit. b DBA erfasst sein können, muss im gegenständlichen Fall die Anwendbarkeit der Kassenstaatsregel allein schon daran scheitern, dass keine Vertretung oder Einrichtung “in Österreich” vorliegt. Der österreichische Verein kann selbst nicht vom Begriff der “Italienischen Staatsbahnen (FF. SS.)” erfasst sein, weil es sich bei dem Verein um eine gänzlich separate Organisation handelt.

Daher ist vielmehr die allgemeine Zuteilungsregel des Art. 15 DBA einschlägig. Wird dabei das Besteuerungsrecht der in Italien ansässigen Dienstnehmerin nicht schon deshalb dem Tätigkeitsstaat Österreich zugewiesen, weil die Aufenthaltsdauer von 183 Tagen iSd Art. 15 Abs. 2 lit. a DBA überschritten wird, so ergäbe sich dieselbe Rechtsfolge nach lit. b der Bestimmung, wenn der österreichische Verein als Gestellungsnehmer aufgrund einer bloßen Passivleistung zum wirtschaftlichen Arbeitgeber der italienischen Dienstnehmerin wird (vgl. den Erlass des BMF vom 12.6.2014, BMF-010221/0362-IV/8/2014 zum Erkenntnis des VwGH vom 22.5.2013, 2009/13/0031; weiters EAS 3375).

Bundesministerium für Finanzen, 8. November 2019