Eine interessante Rechtsauskunft erteilt das Bundesministerium für Finanzen (BMF) bei der Abzugsteuerverpflichtung bei ausländischen Vortragenden in Österreich (EAS 3418 vom 17.7.2019). Unterrichten im Ausland ansässige Personen (“Steuerausländer”) in Österreich zum Beispiel bei Seminaren, unterliegen diese Personen mit den Einkünften als Vortragender der beschränkten Steuerpflicht im Inland. Die (Einkommen-)Steuer der Steuerausländer wird im Wege des Einbehalts einer 20 %igen Abzugsteuer auf ihre Einkünfte erhoben (Pauschalsteuersatz). Dies bedeutet, dass die zahlenden Teilnehmer (oder der Veranstalter) diese Abzugsteuer (20 %) einbehalten müssen, und an das Finanzamt abführen müssen (auf Grundlage § 99 EStG – “Steuerabzug in besonderen Fällen”). Die Verpflichtung zum Abzug der 20 %igen Steuer und der Abfuhr an das Finanzamt gilt nach Rechtsansicht des BMF auch dann, wenn es sich bei den Kurs-Teilnehmern um “Privatpersonen” handelt.
Die Abzugsteuer (20 %) kann jedoch dann vermieden werden, wenn Österreich auf Grundlage eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) das Besteuerungsrecht auf die Einkünfte aus der Vortragstätigkeit entzogen wird (dies ist in der Regel der Fall). Die (DBA-)Abkommensberechtigung des ausländischen Vortragenden ist durch die in der DBA-Entlastungs-Verordnung (BGBl. III Nr. 92/2005; DBA-EVO) aufgezeigte Vorgehensweise zu erbringen (durch Beibringung einer Ansässigkeitsbescheinigung auf dem Vordruck ZS-QU 1). Wird keine Ansässigkeitsbescheinigung beigebracht und wird die Abzugsteuer nicht einbehalten und abgeführt, können die Kursteilnehmer (Privatpersonen) bzw. das veranstaltende Unternehmen zur Haftung herangezogen werden. Sollte es sich bei den (steuer-)abzugsverpflichtenden Kursteilnehmern um Privatpersonen handeln, ist es nach der in der EAS-Auskunft geäußerten Rechtsansicht des BMF jedoch eine Ermessensentscheidung der jeweiligen Behörde (Finanzamt), ob diese tatsächlich zur Haftung herangezogen werden, wenn zweifelsfrei fest steht, dass bei Anwendung der DBA-EVO, Österreich das Besteuerungsrecht entzogen wäre.
Die EAS 3418 im Wortlaut:
Abzugsteuerpflicht bei Vortragender im Bereich der Erwachsenenbildung
Bietet eine in Frankreich ansässige natürliche Person auf selbständiger Basis Kurse im Bereich der Erwachsenenbildung an und übt sie diese Vortragstätigkeit auch kurzfristig in Österreich aus, so wird durch die einmalige vorübergehende Anmietung von Räumlichkeiten im Inland für die Dauer von 50 Tagen noch keine feste Einrichtung iSd Art. 14 DBA Frankreich begründet. Österreich steht demnach aus abkommensrechtlicher Sicht kein Besteuerungsrecht an den im Rahmen der Vortragstätigkeit erwirtschafteten Einkünften zu.
Gemäß § 98 Abs. 1 Z 2 ist die Vortragende aufgrund ihrer in Österreich ausgeübten selbständigen Tätigkeit jedoch in Österreich beschränkt steuerpflichtig, wobei die Steuerpflicht gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 im Wege der Abzugsteuer wahrzunehmen ist. Eine direkte Anwendung von in DBA normierten Befreiungen kann bei steuerabzugspflichtigen Einkünften grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen der DBAEntlastungsverordnung (BGBl. III Nr. 92/2005; DBA-EVO) erfolgen. Demnach hat der Abzugsverpflichtete die abkommensrechtliche Entlastungsberechtigung ausreichend zu dokumentieren. Dabei kann die Abkommensberechtigung der Vortragenden durch eine Ansässigkeitsbescheinigung oder – in den Fällen des § 2 Abs. 2 DBA-EVO – durch eine Erklärung der Einkünfteempfängerin (hier: der Vortragenden) glaubhaft gemacht werden. Liegen diese Unterlagen nicht vor, ist eine Entlastung an der Quelle unzulässig (§ 5 Abs. 1 Z 1 DBA-EVO).
Abzugsverpflichtet sind gemäß § 100 Abs. 2 EStG 1988 die Schuldner der Einkünfte. Im konkreten Fall sind dies die Kursteilnehmer, welche die Kursgebühren an die Vortragende zahlen. Die Verpflichtung zum Steuerabzug und die Haftung bestehen grundsätzlich unabhängig davon, ob es sich bei den Vergütungsschuldnern um Privatpersonen oder Unternehmen handelt, sodass auch die Kursteilnehmer Abzugsverpflichtete sein können (EAS 2811). Die Abzugspflicht sowie die Verpflichtung zur Abfuhr an das zuständige Finanzamt binnen der nach § 101 Abs. 1 EStG 1988 relevanten Frist können nicht auf den Steuerschuldner (die Vortragende) übergehen.
Die abzugsverpflichteten Kursteilnehmer sind bei unterbliebenem Steuerabzug auch primär zur Haftung heranzuziehen. Hingegen kann die Vortragende, welche die Steuer gemäß § 100 Abs. 2 erster Satz EStG 1988 schuldet, nur mittels Bescheid und nur aus den ausdrücklich in § 100 Abs. 3 EStG 1988 genannten Gründen in Anspruch genommen werden, zB wenn die Haftung bei den Abzugsverpflichteten nur erschwert durchsetzbar wäre. Dies wird regelmäßig dann der Fall sein, wenn es sich bei den Abzugsverpflichteten um Privatpersonen handelt, welche nicht zum Steuerabzug verhalten werden können. Kann somit die Vortragende dem Grunde nach auf Basis von § 100 Abs. 3 EStG 1988 in Anspruch genommen werden, so hat die Behörde im Rahmen des Ermessens zu entscheiden, ob die Haftung gegenüber der Vortragenden überhaupt geltend gemacht werden soll. Das DBA Frankreich steht einer solchen Haftungsinanspruchnahme nicht entgegen. Bei der Ermessensentscheidung über die Haftungsinanspruchnahme wird aber zu berücksichtigen sein, ob Österreich trotz Anwendbarkeit des DBA-Frankreich sein innerstaatliches Besteuerungsrecht überhaupt ausüben kann. Bestehen keine Zweifel an der Abkommensberechtigung der Vortragenden und ist daher abkommensrechtlich eine Entlastung auf österreichischer Seite jedenfalls geboten, so wird dies die Ermessensausübung entsprechend beeinflussen (EAS 3213). Im Übrigen könnte eine allfällige Vorschreibung der Abzugsteuer an die Vortragende durch eine Antragsveranlagung gemäß § 102 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 vermieden werden.
Bundesministerium für Finanzen, 17. Juli 2019