In der Praxis kommt es bei Bau- und Montageprojekten oftmals vor, dass der beauftragte Generalunternehmer Teile des Projekts an einen oder mehrere Subunternehmer delegiert. Sollte der Generalunternehmer sämtliche lokale Leistungen an den Subunternehmer delegieren (so genannte “Totaldelegation“) stellt sich die Frage, ob der Generalunternehmer eine Bau- und Montagebetriebsstätte nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) begründen kann.
Das Bundesministerium für Finanzen bejaht in einer Rechtsauskunft (EAS 3405 v. 22.5.2018) grundsätzlich die Möglichkeit, dass bei Totaldelegation eines Projekts an den Subunternehmer eine Betriebsstätte für den Generalunternehmer begründet werden kann. Dies kann dann der Fall sein, wenn nach einer entsprechenden Funktionsanalyse der Generalunternehmer weiterhin eine entsprechende Gesamtverantwortung über das Projekt hat. In diesem Fall wird das Bestehen einer Betriebsstätte für den Generalunternehmer durch das BMF eher bejaht.
Allerdings ist bei Bestehen einer Betriebsstätte und gleichzeitiger Totaldelegation durch den Generalunternehmer fraglich, welcher Gewinn der Betriebsstätte zuzurechnen ist. Wird auf Grund der Funktionsanalyse festgestellt, dass der Generalunternehmer keine Tätigkeit im Rahmen der Betriebsstätte ausführt, hätte der Betriebsstättenstaat auf Grundlage Artikel 7 DBA kein Besteuerungsrecht auf den Gewinn des Projekts. In diesem Fall bleibt das Besteuerungsrecht auf den Gewinn zur Gänze im Ansässigkeitsstaat des Generalunternehmers.
Das BMF hat diese Rechtsansicht in einer entsprechenden EAS kundgetan.
EAS-Auskunft des BMF vom 22.05.2018
Begründung einer Betriebsstätte für Generalunternehmer durch Subunternehmer
Schließt eine in Italien ansässige Gesellschaft (“IT-Generalunternehmer”) mit einer österreichischen Konzerngesellschaft (“Ö-GmbH”) Dienstleistungsverträge über Bau- und Montageleistungen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 lit. g DBA-Italien ab und beauftragt in der Folge der IT-Generalunternehmer eine Tochtergesellschaft ebenfalls mit Sitz in Italien (“IT-Subunternehmer”) als Subunternehmen, die vereinbarten Dienstleistungen in Österreich zu erbringen, wobei hierfür Arbeitnehmer des IT-Subunternehmers in einem Zeitraum von 22 Monaten regelmäßig bei den betreffenden Montageanlagen der Ö-GmbH in Österreich anwesend sind, wird durch die Tätigkeit des Subunternehmers für diesen eine inländische Betriebsstätte in Österreich begründet. Gleichzeitig kann in einem solchen Fall auch eine Betriebsstätte für den Generalunternehmer begründet werden, wenn der Generalunternehmer während der Zeit der Tätigkeit des Subunternehmers auf Grund der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls die faktische Verfügungsmacht über die Baustelle hat, wie etwa im Fall des rechtlichen Besitzes, wenn er den Zugang zur und die Nutzung der Betriebsstätte kontrolliert und die Gesamtverantwortung für das während dieses Zeitraums an der Baustelle stattfindende Baugeschehen trägt (vgl. OECD-Kommentar zu Art. 5 OECD-MA 2017, Rz 54). In derartigen Fällen ist er durch diese Kontroll- und Überwachungstätigkeit an der Baustelle anwesend und wirkt dort – wenn auch in geringfügigem Ausmaß – an der Bauausführung mit.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Generalunternehmer die Gesamtverantwortung für das an der Baustelle stattfindende Baugeschehen hat, denn in der Regel ist der Generalunternehmer einziger Vertragspartner des Bauherrn und trägt die volle Verantwortung für die Gesamtleistung.
Kommt es jedoch zu einer Totaldelegation der Funktionen (einschließlich der in Rz 54 des OECD-Kommentars zu Art. 5 OECD-MA 2017 genannten Funktionen) vom Generalunternehmer an den Subunternehmer und trägt der Generalunternehmer nicht mehr die Gesamtverantwortung, erscheint die Annahme einer Betriebsstätte für den Generalunternehmer unter Berücksichtigung der dort genannten Rahmenbedingungen fraglich, da anzunehmen ist, dass er in diesem Fall, wenn er im Zusammenhang mit einer Baustelle überhaupt nicht in Erscheinung tritt, wohl keine faktische Verfügungsmacht über die Baustelle hätte. In Fällen dieser Art kann sich aber die Frage stellen, welche sonstigen Funktionen der Generalunternehmer ausübt und ob seine Zwischenschaltung beachtliche wirtschaftliche Gründe hat.
Geht man wegen der Vertragserfüllung durch Subauftragnehmer von der Existenz einer Baubetriebsstätte des IT-Generalunternehmers in Österreich aus, wäre Österreich durch Art. 7 DBA-Italien daran gehindert, Gewinne des IT-Generalunternehmers zu besteuern, die nicht auf Funktionen zurückzuführen sind, die seitens des IT-Generalunternehmers an der Baubetriebsstätte tatsächlich ausgeführt worden sind. Ergibt eine Funktionsanalyse, dass alle Funktionen, die der IT-Generalunternehmer im Zusammenhang mit dem Österreichprojekt ausübt, dem italienischen Hauptsitz des Unternehmens zuzurechnen sind, erlangt Österreich selbst dann kein Besteuerungsrecht, wenn es den Bestand einer Baubetriebsstätte für den Generalunternehmer annehmen sollte. Denn wenn vor Ort an der Baustelle keine Funktionen des Generalunternehmers, sondern ausschließlich nur solche des IT-Subunternehmers ausgeübt werden, kann nur der IT-Subunternehmer, nicht aber der IT-Generalunternehmer in Österreich besteuert werden (vgl. sinngemäß EAS 3121).
Es wird jedoch angemerkt, dass die abschließende Beurteilung des Falles von Sachverhaltsmerkmalen abhängig ist, deren Beurteilung im Rahmen der freien Beweiswürdigung nicht auf ministerieller Ebene im Rahmen des EAS-Verfahrens vorgenommen werden kann.