Konzerninterne Überlassung von Arbeitskräften – unterschiedliche Auslegungen in Österreich und Deutschland

In einer jüngst ergangenen EAS-Auskunft äußert sich das Bundesministerium für Finanzen (BMF) über die konzerninterne Überlassung von Arbeitskräften zwischen einer deutschen GmbH und ihrer österreichischen Tochtergesellschaft.

Der EAS-Auskunft 3375 vom 31.10.2016 liegt der Sachverhalt zu Grunde, dass eine deutsche Gesellschaft GmbH für den Marktaufbau in Österreich eine österreichische GmbH gründet und eigenes Personal an diese neu gegründete österreichische GmbH stellt.

Zunächst ist zu ermitteln, ob die deutsche GmbH eine Aktiv- oder Passivleistung für die österreichische Tochtergesellschaft erbringt. Dabei kommen die im Erlass des BMF vom 12. 6. 2014, BMF-010221/ 0362-VI/8/2014 dargelegten Überlegungen zur Abgrenzung der Aktiv- von der Passivleistung zur Anwendung. Dies stellt, nach den Ausführungen bisheriger EAS Auskünfte zu ähnlich gelagerten Fällen, eine Sachverhaltsfrage dar, die im wesentlichen durch das den Sachverhalt zu erhebende Finanzamt zu erfolgen hat.

In der EAS 3375 legt sich das Finanzamt insoweit fest, als dass es den zu bewertenden Sachverhalt als Arbeitskräfteüberlassung (Passivleistung) ansieht und somit auf Grund der wirtschaftlichen Arbeitgebereigenschaft der österreichischen Tochtergesellschaft das Besteuerungsrecht Österreich ab dem 1. Tag zuerkennt (unabhängig von der Tätigkeitsdauer der einzelnen Personen in Österreich). Die Sonderregelung nach Artikel 15 Absatz 3 DBA Österreich-Deutschland, wonach die 183-Tage-Regel bei Arbeitskräfteüberlassungen immer anzuwenden ist, will das BMF nicht bei der konzerninternen, sondern nur bei der gewerblichen Arbeitskräfteüberlassung angewendet wissen (entgegen der deutschen Rechtsauffassung, bei welcher bei der konzerninternen Arbeitskräfteüberlassung das beschäftigende Unternehmen erst nach einer “Schonfrist” von 3 Monaten zum Arbeitgeber wird). Inwieweit die deutsche Behörde mit der in der EAS-Auskunft geäußerten Rechtsauffassung, insbesondere der Tatsache der wirtschaftlichen Arbeitgebereigenschaft der österreichischen Tochtergesellschaft ohne Schonfrist, übereinstimmt bleibt abzuwarten.

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Die EAS 3375 vom 31.10.2016 im Wortlaut:

Konzerninteren Überlassung deutscher Arbeitnehmer

Die D-GmbH (Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Deutschland), deren Unternehmensgegenstand die Unternehmensberatung (Entwicklung, Vertrieb und Implementierung von IT-Lösungen) ist, gründet zum Aufbau des österreichischen Teilmarkts die Ö-GmbH (Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Österreich). Die durch die Ö-GmbH zu erbringenden Dienst­leistungen bestehen im Wesentlichen darin, die durch ihre Mutter­gesellschaft entwickelten Dienst­leistungsprodukte am österreichischen Markt zu vertreiben. Werden ferner deutsche Arbeitnehmer von der D-GmbH an ihre österreichische Tochter­gesellschaft für einen 183 Tage nicht überschreitenden Zeitraum überlassen, dann kommt es für Zwecke der abkommens­rechtlichen Behandlung dieser deutschen Arbeitnehmer im Rahmen des Art 15 DBA Deutschland zunächst darauf an, ob ein Fall einer echten Arbeitskräfteüb­erlassung vorliegt, also eine reine „Passiv­leistung“ der D-GmbH. So gilt nämlich das Erkenntnis des VwGH vom 22. 5. 2013, 2009/13/0031, nach welchem der „Arbeitgeber“ iSd Art 15 Abs 2 OECD-MA im Sinne eines „wirtschaftlichen Arbeitgebers“ zu verstehen ist, nur für Passiv­leistungen, nicht hingegen für „Aktiv­leistungen“ (so zB Beratungs­leistungen, Schulungs­leistungen, Überwachungs­leistungen und andere Assistenz­leistungen durch das entsendende Unternehmen; vgl den Erlass des BMF vom 12. 6. 2014, BMF-010221/ 0362-VI/8/2014, Abs 2, zu Änderungen bei der steuerlichen Behandlung grenzüberschreitender Arbeitskräftege­stellungen; vgl zur Unterscheidung auch die im Anhang 1 zum Erlass angeführten Beispiele), bei denen das Besteuerungs­recht grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers verbleibt.

Im Allgemeinen läge eine solche Aktiv­leistung dann vor, wenn die Arbeitskräfteentsendung im Interesse der D-GmbH erfolgt, weil die D-GmbH nur durch diese Entsendung ihre Aktiv­leistung gegenüber der Ö-GmbH erbringen konnte. Dabei handelt es sich zwar um eine Sachverhaltsfrage, die nur unter Berücksichtigung des Gesamtbildes der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden kann. Arbeitskräfteüb­erlassungen dienen demgegenüber keiner Erbringung einer Aktiv­leistung durch die entsendende Gesellschaft, sondern erweisen sich lediglich als eine Vermietung der Arbeitskräfte (Personalleasing) und begründen daher eine bloße Passiv­leistung ( „Duldungs­leistung“) des entsendenden Unternehmens; das entsendende Unternehmen „duldet“, dass seine Arbeitskräfte für ein anderes Unternehmen (hier: für die Ö-GmbH) arbeiten. Es wird daher von einem wesentlichen Indiz für das Vorliegen einer Aktiv­leistung ausgegangen werden, wenn die entsandten Arbeitnehmer (anders als im Fall einer Personalver­mietung) den unternehmerischen Weisungen und der Aufsicht der D-GmbH unterliegen. Gegen das Vorliegen einer Aktiv­leistung spricht allerdings, wenn die deutschen Arbeitnehmer zur Unterstützung der österreichischen Fachkräfte bei der Erfüllung der Projektaufgaben auf Anfrage der Ö-GmbH nach Österreich delegiert werden, weil die Ö-GmbH mit nur zwei Mitarbeitern plus Geschäftsführer ausgestattet ist. Dies legt nämlich die Vermutung nahe, dass in Wahrheit die Ö-GmbH aufgrund eines kurz­fristigen Personalengpasses auf eine Personalreserve der deutschen Mutter­gesellschaft zurückgereift und die Leistungen der deutschen Arbeitnehmer einen integralen Teil der Geschäftstätigkeit der Ö‑GmbH darstellen. Die Initiative zur Entsendung ginge vor diesem Hintergrund nicht von der deutschen Mutter­gesellschaft aus, deren Leistung sich auf das Dulden der Nutzung der Arbeitskraft ihrer Arbeitnehmer durch die Ö-GmbH beschränkt und somit eine Passiv­leistung darstellt. Ungeachtet des Umstands, dass die D-GmbH weiterhin zivil­rechtliche Arbeitgeberin ist und etwa Ansprüche der deutschen Arbeitnehmer nur gegenüber der D-GmbH erwachsen oder etwa Entscheidungsprozesse im Hinblick auf Einstellungen oder Entlassungen ausschließlich im Verantwortungsbereich der D-GmbH liegen, wäre vor diesem Hintergrund für Zwecke der Anwendung des Art 15 Abs 2 DBA Deutschland die Ö-GmbH als (wirtschaftliche) „Arbeitgeberin“ anzusehen. Dadurch käme es letztlich auch zum Übergang des Besteuerungs­rechts hinsichtlich der Einkünfte der deutschen Arbeitnehmer an den Tätigkeitsstaat (vgl auch den Erlass des BMF vom Seite 591 27. 10. 2015, BMF-010221/0609-VI/8/2015, Salzburger Steuerdialog 2015 – Ergebnisunterlage Internationales Steuer­recht, 1.2).

Daran vermag auch Art 15 Abs 3 DBA Deutschland nichts zu ändern. Gemäß dieser vom OECD-MA abweichenden Bestimmung hängt in den Fällen von Arbeitskräfteüb­erlassungen die Anwendung der 183-Tage-Klausel nicht davon ab, ob der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat ansässig ist. Um nämlich der Rechts­auffassung des VwGH auch hinsichtlich Art 15 Abs 3 DBA Deutschland größtmögliche Wirkung zu verschaffen, bezieht sich Art 15 Abs 3 DBA Deutschland nur auf die gewerbliche Arbeitskräfteüb­erlassung iSd Arbeitskräfteüb­erlassungs­gesetzes, nicht hingegen auf konzerninterne Personalüb­erlassungen, hinsichtlich deren die durch das VwGH-Erkenntnis geschaffene neue Rechtslage gilt (vgl den Erlass des BMF vom 14. 6. 2014, Änderungen bei der steuerlichen Behandlung grenzüberschreitender Arbeitskräftege­stellungen, BMF-010221/0362-VI/8/2014, Abs 5).