Das Thema “Geschäftsführer im internationalen Steuerrecht” ist derzeit nicht nur in der Literatur, sondern auch im Rahmen einer Anfragebeantwortung durch das BMF behandelt worden. In der EAS 3361 legt das BMF seine Rechtsmeinung zu der steuerlichen Behandlung eines in Liechtenstein ansässigen Geschäftsführers einer österreichischen AG dar.
Im Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Österreich und Liechtenstein ist vereinbart, dass Personen die im Ansässigkeitsstaat wohnen, und täglich zur Arbeit in den anderen Staat pendeln, der Steuerpflicht im Ansässigkeitsstaat unterliegen (Grenzgängervereinbarung). Der Tätigkeitsort hat ein (pauschales) Besteuerungsrecht in Höhe von 4 % der Einkünfte. Im oben angeführten EAS führt das BMF aus, dass es hinsichtlich der Häufigkeit des Pendelns, im Gegensatz zu der Grenzgängervereinbarung zwischen Österreich und Deutschland, keine Mindestdauer gibt. D.h. auch für den Fall, dass wie in dem zu Grunde liegenden Sachverhalt an 40 Tagen nicht gependelt wird, da in einem anderen Staat als Liechtenstein oder Österreich gearbeitet wird, für die restliche Zeit die Grenzgängereigenschaft bestehen bleibt. Nur wenn im überwiegenden Zeitraum (also mehr als die Hälfte) nicht gependelt wird, würde die Grenzgängerbestimmung des DBA nach Auffassung des BMF nicht mehr greifen.
Für Einkünfte die auf Tage entfallen, an denen die Grenzgängereigenschaft nicht erfüllt ist, hat der Tätigkeitsstaat kein pauschales Besteuerungsrecht in Höhe von 4 %. Allerdings zählt dies nicht für Einkünfte die auf Tage entfallen, die innerhalb des anderen Staates (in diesem Fall Österreich) gearbeitet werden und eine Rückkehr nicht erfolgt. In diesem Fall steht dem Tätigkeitsstaat Österreich wiederum ein pauschales Besteuerungsrecht in Höhe von 4% nach Ansicht des BMF zu.
Das EAS 3361 vom 5.6.2015 im Wortlaut:
Übt ein in Liechtenstein ansässiger Geschäftsführer einer inländischen AG, welcher die Voraussetzungen für die Einstufung seiner Vergütungen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit iSd § 25 EStG 1988 erfüllt, seine Tätigkeit als Geschäftsführer als Grenzgänger in Österreich aus, so geht die Grenzgängereigenschaft gemäß Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein auch dann nicht verloren, wenn der Geschäftsführer von seiner österreichischen Arbeitgeberin im Ausmaß von rund 40% seiner Arbeitstage zu Dienstreisen in Drittländer entsandt wird, sofern an den Tagen, an denen keine Dienstreise erfolgt, ein arbeitstägliches Pendeln zwischen Wohnort in Liechtenstein und seinem Arbeitsort in Österreich erfolgt.
Die im Vertragsverhältnis zwischen Österreich und Deutschland anwendbare Regelung, wonach bei jahresdurchgängiger Beschäftigung bei einem grenznahen Unternehmen jemand entweder während des ganzen Jahres oder überhaupt nicht als Grenzgänger eingestuft wird, je nachdem ob die Grenzgängerkriterien an mehr als 45 Tagen als erfüllt anzusehen sind oder nicht, ist im österreichisch-liechtensteinischen Verhältnis nicht anwendbar.
Verhandlungen mit Liechtenstein haben zu dieser Frage bislang nicht stattgefunden. Im Verhältnis zu Liechtenstein erscheint es daher ebenso wie im seinerzeitigen Vertragsverhältnis zwischen Österreich und der Schweiz vertretbar, dass jemand nur während eines Teiles des Jahres oder während mehrerer Jahresteile die Grenzgängereigenschaft besitzt (vgl. dazu EAS 2158 sowie sinngemäß EAS 1940 und EAS 880; ebenso UFS vom 16.5.2008, RV/0065-F/08), solange die Entsendung in Drittstaaten nicht ein solches Ausmaß erreicht, dass nicht mehr von einer Grenzgängertätigkeit gesprochen werden kann. Dies wäre dann der Fall, wenn die Entsendung ein solches Ausmaß annähme, dass wegen Geringfügigkeit des Pendelns bzw. wegen deutlichen Überwiegens einer Tätigkeit außerhalb der Grenzzone nicht mehr von einer Grenzgängertätigkeit gesprochen werden kann (vgl. UFS vom 16.5.2008, RV/0065-F/08).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze unterliegen die der Grenzgängertätigkeit zuzurechnenden Einkünfte, das sind jene, die für Zeiträume gezahlt werden, in denen eine arbeitstägliche Rückkehr an den Wohnsitz stattfindet, dem mit 4% begrenzten inländischen Besteuerungsanspruch. Dies gilt auch für Einkünfte, die auf in geringfügigem Ausmaß in Österreich unternommene Dienstreisen entfallen, wobei ein Ausmaß von 10 Tagen pro Jahr jedenfalls als geringfügig angesehen werden kann. Die auf Drittstaatsentsendungen entfallenden Einkünfte unterliegen gem. Art. 15 Abs. 1 DBA-Liechtenstein dem ausschließlichen Besteuerungsrecht Liechtensteins als Ansässigkeitsstaat.
Diese Rechtsmeinung kann nur so lange aufrechterhalten werden, als mit Liechtenstein keine anderslautende Vereinbarung über die Auslegung von Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein getroffen wird.
Bundesministerium für Finanzen, 5. Juni 2015